Vorwort |
„Sie haben drei Wünsche frei!“,
säuselt die
Functional-Food-Fee und zaubert mit professionellem Lächeln ewige
Jugend, strahlende Schönheit und pralle Gesundheit in Saftflaschen
und Margarinetöpfchen auf die Mattscheibe. Eine Werbeunterbrechung
später zieht der beschlipste Kollege von der
Nahrungsergänzungsfraktion elegant Kapseln, Pillen und
Brausetabletten aus dem Hut und verheißt mit sonorer Stimme die
Erfüllung derselben Herzenswünsche. Bei diesem
Supersondersparpreis - nur für kurze Zeit! im praktischen
500er-Pack! – sollten Sie unbedingt gleich zugreifen. Natürlich
waren nur die Wünsche frei, die Ware kostet
selbstverständlich ...
Manche Dinge ändern sich nie, zum Beispiel der Wunsch, gesund,
schön und potent zu sein. Wider besseres Wissen – das heißt
gegen die alltägliche Erfahrung – hört die Menschheit
offenbar nie auf zu hoffen, daß soeben ein Wundermittel gegen
Krankheit und Verfall entdeckt wurde. Unsere Altvorderen bauten auf
Ziegenkot und Einhornpulver gegen Zahnwurm oder Hexenwerk. Die
aufgeklärten Zeitgenossen von heute bestellen
Schönheitsvitamine, Powerstoffe und Muschelpulver gegen Krebs,
Cellulitis und die Angst vor dem Tod. Natürlich will niemand mehr
an Zauberei glauben, aber das, was moderne Wundermittel versprechen,
ist nichts anderes. Da auch der Nepp mit der Zeit geht, sind die
Begründungen, warum sie wirken müssen, allerdings nur noch
selten dem magisch-religiösen Wortschatz entlehnt; dem Hokospokus
von heute hängt man statt dessen mit allerlei biochemischen
Phrasen ein pseudowissenschaftliches Mäntelchen um. Keck wie
Mäusedreck!
Doch das sind Äußerlichkeiten. Am Ende werden Kunden immer
damit geködert, daß ihnen andere Menschen im Brustton der
Überzeugung versichern, das Produkt funktioniere genau so, wie sie
es sich wünschen. Wenn der seriös wirkende Fernsehzahnarzt
eine bestimmte Zahnbürste empfiehlt, wenn Mutter und Tochter in
der heimischen Küche über Abführmittel philosophieren,
wenn Oma und Opa auf die Kraft der zwei Herzen schwören oder wenn
der sympathische Wetterfrosch mit windzerzaustem Haar probiotische
Milchprodukte schlürft, dann sind das nur ein paar Varianten des
großen Glaub-mir-und-kauf-das-Spiels. Dabei spielt es nicht die
geringste Rolle, ob der beworbene Artikel hält, was die Akteure
behaupten – oder ob die Akteure überhaupt irgendeine Ahnung davon
haben, was sie da gerade vertickern.
Es ist schon erstaunlich, wie wenig sich das offenkundig Irrationale
und das scheinbar Logische unterscheiden, wenn es darum geht,
potenziellen Kunden, das Geld aus der Tasche zu leiern! Da praktisch
jeden Tag irgendein neues „Vitalsierungsprodukt“ aus irgendwelchen
Reststoffen nach immer dem gleichen Muster generiert wird, wie eine
Flut von einschlägigen Patentschriften aus vieler Herren
Länder belegt, war uns weniger daran gelegen, ein umfassendes
Lexikon der Nahrungsergänzungsmittel zusammenzustellen. Wir wollen
Ihnen vielmehr die Highlights der Wunderstoffe zeigen, ihren Aufstieg,
ihren Fall und ihre Wandlungsfähigkeit.
Neben Nahrungsergänzung oder Functional Food aus dem aktuellen
Angebot werden Sie auch auf Mittel stoßen, die schon wieder aus
der Mode gekommen sind, wie Mumienpulver (einst einer der ganz
großen Renner der Szene), oder die ihren einst omnipotenten
Gesundheitscharakter durch Profanisierung verloren haben, wie
Coca-Cola. Daneben stellen wir einige Kandidaten aus der ganz
gewöhnlichen Lebensmittelwelt vor, die man mit Fug und Recht als
„funktionell“ bezeichnen könnte, denen die Experten diesen Titel
aber beharrlich vorenthalten, zum Beispiel Kaffee, Kaugummi oder
Bärendreck. Last not least werden Sie auf ein paar schier
unglaubliche Geschichten stoßen ..., aber wir wollen nicht zuviel
verraten. Lesen Sie los! Und lassen Sie sich bloß keinen
Bären aufbinden!
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